Leibniz, die abendländische Gottes-Phantasmagorie

Leibniz, die abendländische Gottes-Phantasmagorie, Religion als tradierte Neurose

Erst nach der vollzogenen Voraussetzung des Glaubens, dem damaligen common sense, versucht Leibniz abzuleiten: Gott wird vorausgesetzt, dann schlußfolgernd alles entsprechend, d.h. seinen absoluten Premiumansprüchen gemäß, eingerichtet, auch wenn das Land und die Welt es gar nicht mehr her geben können, was dieser absolutistische Herrscher an Huldigungen, Lüstereien und Devotionalien wünscht. Die Ecken der logischen Räume werden hierfür zu Raumkrümmungen und zu Potemkinschen Dörfern, die dieser Gott mit seinem Schlitten bereist. Unter dem Schutzmantel “Alles”, dem Reich, dem irgendwie Ganzen, was jeden Menschen gleich über seine Vorstellungskraft treibt, überfordert und unsicher bis in die Devotheit werden läßt, rechtfertigt Leibniz vor seinen Zeitgenossen das dem Menschen konkret Vorgefundene, Erlebbare, Konsumierbare als dennoch bestmöglich für ein Menschenleben. Den Menschen geht es also auch im gottgegebenen Absolutismus best möglich. Verhältnisse und Gott passen. Und nicht nur dies, für alle und alles, für das Universum selbst ist diese Welt die bestmögliche. Gott hat es so gewollt und getan. Jede vorgefundene Limitierung, jede Quälerei wird letztendlich als fertig – gerecht gerechtfertigt. “Ich will eine noch stärkere Behauptung hinzufügen: das Übel zulassen, so wie es Gott zuläßt, ist die größte Güte.” (Leibniz, Die Hauptwerke, Seite 233, Theodizee, 3. Auflage August 1943, Alfred Kröner Verlag) Gott ist wie der König, bloß einige Qualitäten anspruchsvoller. Gott kann in die Seele schauen, der König kann das nur mittels Folterwerkzeugen. Beide können foltern, um zum Ziel zu kommen, beide tun es skrupelos. Leibniz gilt als der letzte Universalgelehrte. Wie sehr er von seiner Zeit vollständig geprägt ist, wie sehr er, freies Denken wäre die falsche Bezeichnung, limitiert im Reden und davor im Denken ausgestattet ist, erschreckt noch heute und gibt uns die Möglichkeit, uns in der selben Perspektive, in der wir auf ihn schauen müssen, mit versuchtem Abstand auf uns nun selber argwöhnisch zu schauen.

Behauptet, die Welt sei von sich aus in allem und in sich absolut vernünftig, hat Leibniz leider nicht. Vielleicht der Plane hinter allem, dem kann dies und muss konzidiert werden. Die Unvernunft, die Fähigkeit ethisch zu versagen, daran macht er die Unvernunft fest, wird als Freiheit deklariert und zugelassen. Gerade die umdeklarierte Unvernunft, die so frisch ausgestattete und entlassene Freiheit, rechtfertigen und schützt den allmächtigen und gütigen Gott, weil mit der Freiheitsproblematik die Gottesproblematik abgelöst wird an der empfindlichen Stelle der Übel der Welt. Freiheit gibt es wegen der vielen Übel in der Welt. Gott ist damit nicht mehr vordringlich mit diesen konfrontiert sondern nun der Mensch mit seinem Gewissen im Angesicht seiner Tatfähigkeit. Der Mensch soll nicht mehr Gott beschuldigen oder gar seine Existenz vollends bezweifeln und ihn schlichtweg abschaffen sondern stattdessen sein menschliches Inneres sich selbst zerlegen mit der Frage: “was ist das gute Leben?” (eudaimonia) Gerade die Philosphie hat immer dem Schutz der Götter gedient, weil sie den Menschen fälschlich in den Mittelpunkt stellt.

Hätte Leibnitz die Welt als vernünftig bewiesen, wäre Gott überflüssig. Ein Wesen, das bereits vom Menschen als überflüssig gedacht werden kann, so die Leibnizsche Überlegung in der Auslassung dieses Gedankens (er hat vollkommen verrückte Gedanken und Begründungen angeführt – so hätte er auch dies denken können, wenn es aus seiner Sicht zu seinem Ziele geführt hätte, Gott zu beweisen), kann nicht als existierend gedacht werden oder im Gottesbeweis helfen. Ein Wesen, was nicht notwendig ist, existiert gemäß Leibniz nicht. Er konnte und wollte den Gedanken eines Gottes, der nicht notwendig existiert, nicht zulassen. Welch ein dummer Gedanke anhand dieser Welt, diesen Gedanken nicht zuzulassen! Die Welt ist voller Überflüssigkeiten und Schnabeltieren. Somit passt auch noch ein überflüssiger Gott hinein oder hinzu, wenn er nicht ganz in die Welt passt.

Gott macht sich wie ein guter Chef nie notwendig. Ein Gott regiert aus Überfüssigkeit. Gott ist immer notwendig und gleichzeitig überflüssig. Gott ist der beste und nicht die Welt, die kann die schlechteste sein, wenn Gott überflüssig ist.

Somit ist die ganze Begründung von Leibniz falsch aufgebaut, ob Gott existiert oder nicht, soll doch heute vollkommen belanglos sein, das ist good governance heutzutage, wir, das team, machen das schon. Angefangen hat das mit der Freiheit, die half, Gott und den Arbeitgeber über den Mehrwert zu schützen. Die Freiheit und das Selbermanagen ist die Basis für das unüberschaubare Gewirr, was Niklas Luhmann erläutert hat, als ineinenader greifend selbst steuernd. Alles wird sich und anderem durch Überflüssigkeit notwendig und hype, mehrwertig und aus dem Überfluss generiert. Gott wird zum Mehrwert, die Freiheit ist längst zum Mehrwert weitermutiert. Es sind die Überschüsse, die uns nun in der Kehr als Elexier und vorwärtstreibende Intelligenz inne werden und deren Geist über uns gekommen ist und uns Ruhe und Zuversicht spenden.

Die Vernunft, als Wesen und an sich, kommt originär für ihn (wie auch später für Hegel) eindringend von außen in die Welt. (Es gibt so also ein Weltäußeres, das mit Gott noch inniger zusammenhängt als bereits die Welt dies tut..)

Gott ist eindringlich die Vernunft in persona und hat auch den Willen, die Welt vernünftig zu gestalten. Die Persona kann nicht allein in der Welt platziert sein. Eine Person ist nicht allein ein Teil seiner eigenen Umwelt oder Teil seiner eigenen Kunst, eines seiner Werke. Wir wissen nicht wieviele Welten geschaffen wurden.

Die Welt wurde, nach Leibniz, nach einem vernünftigen Plane entwickelt, ist es dies aber nach der Umsetzung aus dem Geiste in die Materialität und in das Lebendige in situ oder de facto nicht zu 100%.

Dies beschreibt Leibniz so, dass die Vernunft also im Hintergrunde liegt, bei Gott zu Hause, stets auf der Lauer einzugreifen und sie liegt dazu in der Vergangenheit des bereits in Umsetzung befindlichen Plans vor und in der Weisheit dessen, was Gott mit dieser Welt will. “…jegliches Ding hat schon vor seiner Existenz in der Idee zu dem Entschlusse beigetragen, der über die Existenz aller Dinge insgesamt gefaßt worden ist. Dergestalt, daß man im Universum (ebenso wie an einer Zahl) nichts ändern kann, ohne sein Wesen oder (wenn man so will) seine numerische Individualität  zu berühren. Wenn demnach das geringste Übel, das in der Welt geschieht, fehlte, dann wäre es nicht mehr diese Welt, die, alles ein- und abgerechnet, von dem Schöpfer, der sie gewählt hat, als die beste befunden worden ist.” (Seite 183/184, Leibniz, Die Hauptwerke, 3. Auflage 194, Kröner Verlag)

Desweiteren hat sie natürlich in Gott ein Reich für sich, unendliche Vernunft, absolute Vernunft und ist dort 100%. “Dann ist Gott der Verstand, und die Notwendigkeit, d.h. die wesenhafte Natur der Dinge, das Objekt des Verstandes, sofern es in den ewigen Wahrheiten besteht. Aber dieses Objekt ist ein inneres; es befindet sich innerhalb des göttlichen Verstandes. Und dort liegt nun nicht nur die Urform des Guten, sondern auch der Ursprung des Übels: Die Region der ewigen Wahrheiten muss man an die Stelle der Materie setzen, wenn es sich darum handelt, die Quelle der Dinge zu suchen. Diese Region ist (sozusagen) die ideale Ursache des Übels, ebensowohl wie des Guten: aber genau genommen hat das Übel als solches keine bewirkende Ursache (cause efficiente), denn es besteht, wie wir gleich sehen werden, in der Privation (im Mangel von etwas), d.h. in dem, was die wirkende Ursache gerade nicht bewirkt. Daher pflegen die Scholastiker die Ursache des Übels als defizient zu bezeichnen (etwas = “Fehlursache”).” (Seite 193/ Seite 194, Leibniz, Die Hauptwerke, 3. Auflage 194, Kröner Verlag)

Somit liegt die Quelle der Übel wesenhaft in einem Mangel, besser in einer Absens des Guten und angesiedelt und vergiftend in und aus der Überwelt der Idealien, die bereits nahe am Gehirn Gottes zu verorten sind aus Sicht von Leibniz. In der uns bekannten Welt, aus welcher Sicht wir sehen, hat diese Überwelt der Idealien einen Déjà-vu Umschlag genommen wie für uns eine parallele Welt als virtuelles Game, welches alles nachspielt, fern und doch in der Realität und hinter dem Spiegel unsere irdene Welt geschaffen.

Leibniz verortet also die Übel bereits gefährlich nahe am Gehirn Gottes, sieht es aber als nötig an, für diese ein Nichtvorhandenes verantwortlich zu machen, einen Defizienten, ein fehlendes, das geschickterweise als nicht vorhanden auch nicht zur Rechenschaft vor dem inneren Auge gezogen werden und als nicht vorhanden keine Göttlichkeit neben Gott oder eine Gott vernichtende Realität entwickeln kann. Etwas, was es nicht gibt, ist schuld. Es ist nicht die Krankheit über die wir besser schweigen sollen angesichts Gottes, sondern die fehlende Gesundheit. Wem nun in diesem bewußten Geschiebe, in dieser Reise nach Jerusalem, die nie Gott ohne Stuhl lässt, sondern immer den Menschen, die Gesundheit fehlt, Gott oder der Welt oder den Menschen – oder allen dreien zusammen, das kommt als Thema nur so auf den Tisch, dass moralisch immer der Mensch schuldig wird und für den Rest ein Defizient existiert, der aber auch alles mit Gottes Hilfe zum Guten führen wird und nur das Beste will, was in Durchführung sich befindet. Dies klingt wie eine altbackene Variante von der Litanei “Mein Mandant hat davon nichts gewußt; er war nicht dabei”, wenn es für Vorstände strafrechtlich relevant wird. Leibniz, der sogenannte letzte Universalgelehrte, ist schon der Strafverteidiger Gottes.

Die Vernunft ist das Gehirn von Gott und nur ein unbedeutendes Etwas davon auch auf die Erde verlegt. Die Erde, die Welt der Menschen ist also der Spielball Gottes, den Gott lieb hat. Dieser Gott in der Hinterwelt unserer Welt durchdringt selbstverständlich unsere Welt und hat sie geschaffen. Unsere Welt ist keine echte Entität, kein an sich für sich selbst, geschweige denn Menschen gemacht. Unsere Welt ist gegenüber Gott mindestens so hündisch wie ein angebundener Hund vor dem Supermarkt. Die Welt ist für Leibniz nicht ohne Gott, Gott ist überall. Undenkbar, Gott wäre nicht da. Die Welt ist ein etwas von Gott, ein Glied, ein Spiel, eine Idee, ein Werk. Die Materie, wie bei Marx oder bei den Materialisten oder wie wir sie heute im common sense sehen, die Natur sieht Leibniz noch gar nicht unabhängig von Gott. Leibniz selbst erkennt aber sehr wohl, das in der Antike ein völlig anderes Bild geherrscht hat von der Materie: “Die Alten schrieben die Ursache des Übels der Materie zu, die sie für unerschaffen und für unabhängig von Gott hielten; aber wo sollen wir, die wir alles Sein von Gott herleiten, die Quelle des Übels finden?” (Seite 193, Leibniz, Die Hauptwerke, 3. Auflage 194, Kröner Verlag)

Die Welt hat keinerlei Autonomie, kommt aber im Detail Mensch vom Wege ab, was Gott zugelassen hat, um der “Freiheit” des Menschen willen, die allein Schuldfähigkeit ist. Der Mensch hat paradoxerweise einerseits ein Fatum, ein Schicksal, darf und soll aber andererseits frei entscheiden – genauso wie ein angebundener Hund es kann und darf. Jault der Hund, hat er kein Vertrauen in sein Herrchen, dass es vor seiner Nase im Supermarkt ist und wieder durch die Türe kommt durch die es in den Supermarkt auch hineingegangen ist. Dafür, für das Gejaule, den Zweifel und das elend störende Gejammer, für diese Sünde muss der Hund bestraft werden, das darf nicht auch noch belohnt werden. Der abwesende Gott wird bei Leibniz noch nicht nötig,  gehört aber dann später nach Leibniz mit zum Konzept des Menschenleben wie auch für den Hund in seinem Hundeleben sein Herrchen im Supermarkt. Für Leibniz geht Herrchen noch nicht in den Supermarkt.

Gott und Welt, einzeln betrachtet, wurden im Abendland letztendlich stets zusammen als sonderbarer Homunkulus gesehen, auch wenn sie situativ einzeln betrachtet wurden oder nur über einen von beiden erzählt wird. Leibniz denkt sie auch nur so zusammen, wie sie in eins sind und doch auseinander, die Güte und die Vernunft haupt- und ursächlich in Gott liegen und Gott hinter der Welt zu finden ist, in die er vorstößt augenblicklich, in jeder Gegenwart und die er mit seinem Willen, in seinen Gesetzen geschaffen hat.

Somit muss die Welt nicht gänzlich vernünftig sein und darf es auch nicht, um Gott zu rechtfertigen. Und Gott kann von Anfang an vernünftig gewesen sein und darf es noch immer sein, bitte etwas separiert und ständig eindringend. In der Welt sind dann die Menschen eingesetzt wie eigenwillige Playmobilfiguren, die sich nicht an das halten, was Gott und dem Spielmeister gefällig ist. Dafür leiden dann die Playmobilfiguren. Der Spielmeister tut den Playmobilfiguren etwas an und zeigt ihnen, was sie davon haben, wenn sie sich nicht zusammenreißen und den Sollvorgaben des Spielmeisters nicht folgen, all das glaubt Leibniz. Auch erwartet bzw. erzwingt in seiner Machtfülle der Spielmeister nach Leibniz Erzählungen dabei nicht nur gefürchtet sondern auch über alles geliebt zu werden. Dem sollte entsprochen werden sonst kommen die Playmobilfiguren wegen Undankbarkeit bei 110 Grad in den Ofen für längere Zeit. Ihre Bemalung, Gesicht, Kleidung, Funktion, Beruf, Mann und Frau, dies wird danach nicht mehr frisch aussehen. Es wird ein in der Hölle vergehendes Undefiniertes sich bilden, was verdächtig dem Unbekannten, dem Defizienten gleicht als Widergänger. Der Vorwurf des Leidens wird mit Leid bestraft werden. Auge um Auge, Zahn um Zahn.  Die Wahrheit wird unterschlagen bleiben müssen. Deshalb: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Diese christliche Vorstellungswelt gleicht der Welt des Machthabers von Nordkorea und seiner Untertanen, die Gehirnwäsche fusst auf einem Arsenal von Torturen, von denen die Hinrichtungen nicht unbedingt die schlimmsten sind . Die Freude über die perfekte Welt und den lieben Machthaber lässt keine anderen Gedanken zu, ist also grenzenlos.

Aufgrund dessen dachte Leibniz, es wäre falsch herum das Pferd aufgezäumt, also unvernünftig und dumm, eben ausgerechnet zu behaupten, die Welt sei direkt in sich vernünftig und alles in Ordnung – ohne den Machthaber Gott. Eine vernünftige Welt würde den Machthaber entmachten, Gott seiner ewigen Allmacht berauben: es gäbe neben den Naturgesetzen auch eine vernünftige Welt, die keinerlei Gottheit für das Funktionieren braucht. Leibniz wusste, ein in Perfektion befindliches Funktionieren liegt nicht vor verbunden mit Glückseligkeit und würde auch gar keinen Gott mehr benötigen, somit wäre Gott wegzudenken. Ein überflüssiger Gott wäre ein Widerspruch in sich.  Vernünftig – d a s kann und darf man unserer Welt, auf den ersten und zweiten Blick, nicht unbedingt einfach so nachsagen.

Bestmöglich und vernünftig sind also nach Leibniz bereits definitiv Zweierlei. Hätte er das Selbstbewusstsein der Vernunft wie Hegel schon erkannt und kennen gelernt, hätte die Welt schon nicht mehr die Bestmögliche sein müssen.

Leibniz meinte nur, wenn er, falls er von befugter, höherer Stelle denn einer Befragung unterzogen würde und in der Befragung Zeugnis ablegen müsste, er also eher für die Welt ein geneigtes Zeugnis ausstellen sollte und täte, denn als lakonisch Auskunft über sie geben, so würde er, um seinen Kopf, ob des zu sprechenden Urteils, aus der Schlinge zu ziehen und ewiger Verdammnis zu entkommen, schmallippig mitteilen, auf ihre Weise sei die Welt, so wie sie nun einmal sei, doch gar nicht so missraten sondern sicherlich die bestmögliche, nicht wahr?

Das Klassenziel haben Lehrer (Gott) und Schüler (Erde, Welt) zwar nicht geschafft, aber es könnte an allem möglichen gelegen haben. Man müsse nicht gleich mit der Schuldfrage daherkommen, die auch nichts weiter kläre oder ändere. Es gäbe doch dennoch Dinge (außerhalb der Vernunft), die wir gar nicht wissen aber ein wenig erahnen, wenn wir nur wollen. Das müssen wir doch zu Gute halten und nicht zum Schlechten, gewiss habe sich der Lehrer und Schöpfer bemüht. Warum seinen Schülern und Geschöpfen das Ergebnis bescheiden anmutet und nicht anders, etwas genauer in seiner Bestmöglichkeit erkennbar, de facto oder aus ihrer Sicht ausfiel, soviel würden wir, seine Schüler und Geschöpfe, einfach darum nicht wissen, um uns ein negatives Urteil in letzter oder auch in einer ersten Instanz zu erlauben.

Warum eine nicht besonders vernünftige Welt dennoch die bestmögliche sein soll, laut Leibniz, macht den Menschen Leibniz ein klein wenig sympathisch, ein klitzekleines Stück in seiner als Vollständigkeit versuchten Devotheit subversiv und bringt ihn, wie einen schwach leuchtenden Stern in die Gegenwart.

Es ist noch sein Licht, das leuchtet. Es ist schön von jemandem zu hören, diese Welt sei die beste. Es ist die Aussage eines Liebenden, möglicherweise, einer Person, die ihrem Gotte immerhin gegenüber steht und auf diese Welt verweist und auf keine andere. Diese ist ihm mehr als gut genug – auch wenn er es nicht der Welt zuschreibt sondern seinem Gotte, um ihm zu huldigen.

Immerhin hatte Leibniz folgende Fragen:

Hatte Gottvater, die Ansicht seiner Schüler und Geschöpfe auf die Welt, von ihm geschaffen, nicht einkalkuliert? Ist ihm denn die ihre Sicht, unsere humanistische Einsicht in die schmerzhaften Dinge völlig schnurz? Warum gehen unsere Vorstellungen, wie etwas zu sein habe, ihn als Gamemaker, Schöpfer und Allmächtigen nichts an? Warum lassen diese Vorstellungen ihn, wo sie doch längst in aller Reife authentisch formuliert sind, über das Skizzenhafte hinaus, erkennbar völlig kalt? Sind wir ihm keine Antwort wert? Wir wollen doch REDEN mit ihm, hat er das nicht verstanden? Warum ist er so a u t i s t i s c h ?

Warum hat er ausgerechnet die Vermehrung über die Sexualität zu einer unausweichlichen Attraktion gemacht und lässt uns allesamt, eine Generation nach der anderen sterben, obwohl wir immer weiter leben und keinesfalls sterben wollen? Hat er das nicht längst mitbekommen? Warum ist doch gerade die Sexualität, die mit ihrer natürlichen Seite an unserer Ersetzung, einer Generation durch die andere, arbeitet, für uns Menschen unbesiegbar attraktiv eingerichtet, ein Trieb? Warum treibt uns a u s g e r e c h n e t d a s an, was unser Ersetzen in Gang setzt? Aufdrängt sich in aller Deutlichkeit, wir als Individuen, mit unseren kurzen Leben, sind zu vernachlässigende Größen. Mitmenschlichkeit gibt es nur auf Erden.
Warum führen wir, deren Liebe nicht erwidert wird, Kriege? Was soll das mit den scheußlichen Krankheiten? Diese Strafen für welche Tat? Warum das Fressen und Gefressen werden in der Natur?

dann aber mit seinem persönlichen Urteil sich beantwortet: Diese Welt sei die b e s t m ö g l i c h e Welt.

Leibniz möchte gar das nicht alles wieder hören, diese ganzen Fragen bitte nicht wieder alle.

Er möchte mit einem Gott zu tun haben – aber bitte mit keinem gefühlskalten und schmeichelt ihm deshalb vorsichtshalber, in der Absicht so, über den Abgründen auf einen grünen Zweig zu kommen. D a s ist die Leibnizsche Strategie – auch wenn dieser Gott uns in ein katastrophal kurzes Leben inklusiv Schmerzen und Traumata sperrt. Ihm, dem Gott, wird von Leibniz dafür geschmeichelt und gelobt über alle Maßen für sein Werk und gegen jeden Verstand. Diese Statements wider den Verstand werden dann als dann vernünftig, weil nicht mehr ganz von dieser Welt, hingestellt. Das galt als Philosophie und wird heute noch als solche in der Tradition der Geschichte übermittelt.

Leibniz schmeichelt, weil er doch an einen Gott glaubt und dabei nicht völlig naiv ist, mit ihm und seiner Gnadenlosigkeit rechnet, anstelle mit ihm abzurechnen, denn er weiß wie schlecht die Ausgangslage in seiner bestmöglichen aller möglichen Welten hierfür wäre. Leibniz weiß, was er beim Schmeicheln tun muss, er möchte Gott als liebenden Gott und schmeichelt ihm in seinen Leibnizschen Gedanken, weil Gott Gedanken lesen kann und erst recht Bücher. Und geistesgeschichtliche schöne Gedanken sind eine Labsal für einen Gott, dem geschmeichelt wird. Somit kommt Leibniz einfach zu dem logischen Schluss, Gott herbei zu schmeicheln. Er will ihn sozusagen positiv stimmen und herbeiholen, weil der Allvater, für die Ewigkeit und die Liebe als Zustand zumindest für seine Person Leibniz gebraucht wird. Kurzum, Leibniz möchte nicht nur von seiner Frau sondern von seinem Gott, dem großen, alles umfassenden Gott geliebt werden, von dem, der das ewige Leben spendet. Von dieser Spende möchte Leibniz gern seinen individuellen, nicht allzu kleinen Anteil abhaben, zumindest so viel, dass es für ein ewiges Leben lang reicht, auch wenn die Fortsetzung, Software bedingt, im unbekannten Terrain im Himmel erfolgt. Leibniz möchte vernünftig diesem Thema mit diesem Gotte damit Genüge getan haben. Es soll seine Bewandtnis für die Zeit auf Erden haben, bis für ihn diese Zeit hier, dieser Aufenthalt hier seine Ablösung nimmt.

Leibniz will nichts wirklich wissen sondern seine Zwecke erreichen.

Auf dem Wege beruhigt sich Leibniz angesichts vieler Dinge und Vorkommnisse, die diesem geträumten, gewünschten umfassenden liebenden Gott und seiner Verheißung des ewigen Lebens diametral widersprechen, indem er mit der Behauptung, die Welt sei die allerbeste, auch inkludiert, Gott selber sei dann gleich der allerallerbeste. Beide stabilisieren sich, die beste Welt und Gott, gegenseitig. Da wir, so sichert Leibniz seinen Gedanken ab, uns, weil wir keine Götter sind, kein Urteil anmaßen wollen, können wir die Welt auch gleich „gedanklich“ als die bestmögliche setzen, im Alltagsjargon: behaupten, die Welt sei die bestmögliche, selbstverständlich – wie denn sonst. Da sie nun einmal vorhanden und keine andere, sei s i e gewissermaßen die bestmögliche, denn sonst hätte Gott doch eine bessere geschaffen. Eine Welt und zwar die, die existiert, hatte von Anfang an seiner Überlegung, eine heile, die bestmögliche Welt zu sein. Ob überhaupt die Absicht bestand, die bestmögliche zu schaffen, erwägt Leibniz nicht ernsthaft. Vielleicht hat Gott aber etwas gegen das Bestmögliche von sich aus einzuwenden. Vielleicht gehört Gott nicht zu dem Schlag der Russen, die im KaDeWe Ende der Neunziger immer das Beste essen, trinken und kaufen wollten, egal was.

Nun möchte man meinen, dass nicht nur die Götter sich ein Urteil anmaßen dürfen sondern auch die Bewohner dieser gottgeschaffenen Bestwelt, die in ihrer Welten mit der Gesamtzahl 1 leider bisher keine Auswahl haben. Dies lehnt Leibniz, selber Mensch, aber für uns Menschen ab, um nicht das ganze, versetzte Konstrukt von Gegenwart und Jenseits zu gefährden, welches anstelle der Wahl der Welt steht.

Menschen haben über diese eine Welt nichts endgültig Urteilendes zu denken. Vorhanden = bestmöglich. Basta. Weil Gott existiert, ist seine Welt auch logischerweise die bestmögliche, da keine andere gekannt wird und auch nicht – zumindest lebend nicht – gekannt werden soll. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Was Mama gekocht hat, ist immer das bestmögliche. Ist das Philosophie?

Mit einer echten Mündigkeit des Zweifels am als bestehend Angenommenen wäre der Schluss seiner ihn beruhigenden Gedanken, die Welt sei die bestmögliche und Gott sei existent, gleich mit in diesen Zweifel, Abgrund über Abgrund, in diesen Sog gezogen. Das will Leibniz, reaktionär wie er nun einmal doch, wenn es darauf ankommt, bis in die Knochen nun einmal ist, in keinem Falle zulassen. Der Geist des Humanismus oder des Übermenschen wäre sonst, wo käme man da hin, tatsächlich aus der Flasche.

Leider ist die Begründung von Leibniz, warum diese Welt die bestmögliche ist, eher nicht erfreulich sondern basierend auf der noch getroffenen Annahme einer Existenz Gottes dann gar ein kalter “logischer” Schluss wie Henne und Ei, wer war zuerst da, die bestmögliche Welt oder der liebe Gott? Die Existenz dieses für ihn noch lebensnotwendigen Gottes wird insgeheim zugegeben dem Setzenden fragwürdiger und wegen seiner Fragwürdigkeit bereits seltsam dämonisch und im Gottesbild ein roll back, alttestamentarisch, sehr antik jüdisch gezeichnet.

Die unterdrückte Fragwürdigkeit des Zweifels verwandeln das Gottesbild in ein unterentwickeltes, in eines von Kälte, Egoismus und Selbstsucht, dem man nicht anders begegnen kann als durch Unterwerfung, Lüge und Schmeichelei.

Getroffen damit und wegen diesem Gottesbild, anhand dieses Leitbildes einer sehr klein vor Gott stehenden Existenz, wird eine extrem negative Aussage über die Freiheit in der Menschenseele, die trotz aller Trübsal ausbrechen könnte, eine negativ belastete Aussage über die Liebe, die gegen alle Widerwärtigkeiten an stehen will, einer Liebe also und gleich auch im Negativen von Widerwärtigkeiten, zu denen beiden unter verschiedensten Gottesbildern die Menschen sich erfähigt haben und leider gar keine Aussage über die vielen Lebewesen auf diesem Planeten, die sich ebenfalls in der Unterwerfung unter Leben, Geburt und Tod befinden, keine Aussage über den Hedonismus, der auf diesem Planeten trotz allem noch möglich ist, keine Aussage über die schrullige Unvernunft, die den spleenigen Menschen liebenswert macht angesichts der Kürze seiner Lebenszeit.

Gezeichnet ist die Position von Leibniz von der nackten, zusperrenden Lebensangst angesichts der allgemeinen Zeitlichkeit, die eine Endlichkeit ist. Angesichts dieses Grauens malt er sich einen Himmel aus, was passieren wird, wenn die letzte Zeitschranke auf dieser Erde für ihn als Existenz und Erdenmensch einreißt und das Leben nach dem Tode unbedingt Wirklichkeit werden soll. Das hier ein begrifflicher Widerspruch in seiner Annahme liegt, Leben nach dem Tode, bereitet aufgrund der Ganzheit der Theologietradition keine Probleme. Tod schließt Leben dennoch logisch aus. Es wird somit gegen die Begriffe begrifflich unlogisch und gegen die Erfahrung halluziniert statt das Zeitgefühl, in dem man und Leibniz als Person leben, kritisch zu hinterfragen auch anhand der Antike, die ein anderes Gefühl vom Menschen hatte. Der Mensch innen war ein anderer. Das wäre Philosophie gewesen und der Philologe Friedrich Nietzsche wäre weniger einsam gewesen, hätte einen zeitnahen Vorgänger gehabt.

Warum habe ich ein Zeitgefühl, das mir einen Mangel suggeriert? Warum sagt mir meine Zeit, dass mein Leben zu schnell geht und zu schnell vorbei ist?

Was meine ich eigentlich mit “vorbei”? Wovor? Wobei?

Vor und bei? Sind zwei unterschiedliche Bestimmungen, die einzeln etwas völlig anderes sagen als zusammen. 1 + 1 ist hier in der Zusammenführung ein Gegenteil. Vor: man hat es vor sich, bei: man hat es bei sich. Beide eher räumlichen Bezeichnungen, die sekundär auch zeitlich verwendet werden können zumindest das Vor. Das Bei ist zu nah dran, zu intim, um die Distanz der Zeit in den Ausdruck einzubauen, die die Intimität mit dem, was man bei sich hat, stören würde, also konterkarrieren. Was ich bei habe, fällt ein wenig aus der Zeit. Je näher an mir dran, um so eher fällt die Zeit von den Dingen und den Menschen, die Angehörigen fallen eher als andere aus der Zeit. Aber wir verstehen schon: Vorbei ist aber abgeschieden von etwas: für immer. Vorbei betrifft nie mich, immer ein Etwas. Ich bestimme noch mit: vorbei. Ich beurteile. Der Pfeil ist für immer vorbei geschossen. Er hat mich aber nicht getroffen. Das soll also die Summe aus Vor und Bei sein, dass beides, Heidegger würde sagen, in sich genichtet wird, ganz selbstverständlich, weil eben das die Conditio humana und seine Zeit ist.

Warum sagt mir mein Zeitgefühl nicht, mein Leben sei schon lang, meine Gegenwart ist groß, das Gewesene fest in meiner Erinnerung und in meinen Kindern, in meinen Taten, meine Zukunft offen bis zum Tode, der unweigerlich ist. Warum wird sich nicht solange mit dem Tode beschäftigt wie wir mittendrin sind im Leben, ein Himmel systematisch halluziniert statt die Zeit zu schmücken? Weil der Himmel zu meinem mangelhaften Zeitgefühl passt, seine Kehrseite bildet.

Der Himmel ist eine Ausgeburt, ein Monstrum aus der Paarung des vereinzelten, vereinsamten, schweigwütigen Gottes, über die Gattungsschranke hinaus, mit dem minderen Menschen, ein Monstrum aus Schuld geboren. Die nachgeholte Ursünde.

Das mangelhafte Zeitgefühl hat die Antik zerstört. Die Laster von Gott und dem minderen Menschen, der sich groß hinstellt und wichtig macht, dass er fragen kann: warum, warum hast Du mich verlassen?

Geforscht werden muss, warum mit dem Christentum, dem einen dreifaltigen Gott die Not einen Himmel anzulegen so zugenommen hat, dass die Antike zerrann. Wie kann letzteres aus erstem folgen? Aus welchem Klimawandel entstand diese Not?

Die Angst vor dem Tod wurde seit Gedenken ausgelebt; jedes Tier hat Angst vor dem Tod – bis heute. Die Endlichkeit wurde aber für uns Menschen von uns Menschen immer als unverrückbarer Tatbestand gesehen, genauso wie die Generationenfolge und das Los des Menschen eines war, das alle unisono betraf. Die Götter bewohnten vieles und waren zahlreich, der Mensch blieb aber neben den unsterblichen Göttern stets eindeutig sterblich, endlich, irden. Und der Mensch wusste in Abgrenzung zu den Göttern vom Unterschied, es gab verschiedenes Sein, den Göttern ihres, den Menschen ihres. Deshalb lebten die Mensch in der Antike in einer anderen Zeit.

Erst mit dem Christentum kam die Aufteilung des Unisono, in der neuen Mitte. Auf halbem Wege in die Ewigkeit wurde nun aufgeteilt, jeder einzeln für sich, Zeugnis gebend von diesem neuen Gott und seiner Zeitrechnung, die keine ist.

Die Conditio humana wurde aufgerissen, das Menschentum zerstückelt.

Diese Vereinzelung, dieses Stehen vor diesem Gott war eine unterdrückte Revolte, die den Mangel für den Einzelnen in eine Vorstellung von Himmel transferierte, die die Konditionen, wie sie nun einmal für den Einzelnen sind, zu vergehen, sobald er das Gefühl hat, angekommen zu sein, nicht akzeptiert und daher in der Zeit halluziniert, um aus ihren Bedingungen, die ab da als zu hart zum akzeptieren gelten, herauszufliegen. Aber warum waren sie auf einmal zu hart, diese Konditionen, wo sie doch früher, undenklich lange Zeiten bejammert aber akzeptiert wurden?

Die fraglose Akzeptanz der eigenen Endlichkeit war nach dem Tod des Menschensohnes gestört, der Plebs hob die klaren Grenzen auf.
Wie kann man nur Anspruch auf Gott erheben und als letztes bar jeder Demut und ohne jede Einsicht rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Nimmt man “in der Zeit” diese Position an, im Auge von dem einzigen Gott gewesen zu sein, hat man schon den Himmel als diese in einem Nachher fortgesetzte Position in der Zeit. Das ist logisch dann, denn das Nachher übersetzt die Unlogik des vorher, das Beisammen unter dem Auge Gottes. Wo sonst soll sich die Ewigkeit, die Macht Gottes, die Aufhebung der Zeitlichkeit in seiner Gestalt, unter den gesetzten Voraussetzungen wie in den kommunizierenden Röhren und gemäß deren Logik denn sonst hindrücken. Es sublimiert sich, unlogisch, ab im Spiel der Kräfte folgerichtig in der Annahme der Existenz eines Himmels. Der Himmel macht den Menschen himmlisch, dem Menschen wird im Nachhinein eine göttliche Note verliehen. Copula der Hemmungslosen. Ausgeburt des Monstrums. Die Fehlgeburt anstelle des Übermenschen, die Unterwerfung anstelle der Revolte. Schlimm ist dann nur noch der Zweifel, ob nicht doch Halluzination, da nicht einmal eine Revolte geschehen.

Für Leibniz erfordert das Leben nach dem Tode Benimmregeln in der Lebenszeit vor dem Tode und überhaupt eine von Anstand geprägte Einstellung dazu, die nicht auf den Vorteil der Menschen untereinander durch mehr Anstand und Nächstenliebe orientiert als sich auf das in die Nähe des Patriarchen ziehende Ankommen im Jenseits bezieht und das erforderliche Einstimmen auf das dazugehörige Reglement dort. Somit bleibt im Grunde der Mensch außen vor in der Einstellung des Leibniz, man, die Untertanen richten sich ganz schlicht nach dem Chef, dem Herrn, da sonst Ungemach droht.

“Wer dazu neigt, sich mit Natur und Schicksal zufrieden zu geben und sich nicht darüber zu beklagen, selbst wenn ihm nicht das beste Los zuteil geworden ist, scheint mir vor den anderen den Vorzug zu verdienen. Denn abgesehen davon, daß diese Klagen schlecht begründet sind, heißt das wahrhaftig, über die Anordnungen der Vorsehung murren. Man sollte sich in dem Staate, in dem man lebt, nicht leicht zu der Zahl der Unzufriedenen gesellen, und im Staate Gottes (dan la cité de Dieu) darf man es überhaupt nicht, denn dort kann man damit nur eine Ungerechtigkeit begehen. Die Bücher über das menschliche Elend, wie z.B. das von Papst Innocenz III., scheinen mir nicht zu den nützlichen zu gehören: man verdoppelt die Übel, indem man auf sie aufmerksam macht, anstatt die Aufmerksamkeit von ihnen weg auf die Güter zu richten, die bei weitem überwiegen.” (Seite 187, Leibniz, Die Hauptwerke, 3. Auflage, August 1949, Alfred Kröner Verlag Stuttgart)

Wohl im Allerwesentlichsten der Motivik verbirgt sich dieses Speichellecken und diese Unterwerfung an die kommende Obrigkeit hinter der lobsingenden Aussage: Diese Welt sei sicherlich die beste aller Welten. Nichtsdestotrotz braucht die Angst zwar für ihre Existenz zwar nicht den Stachel des Zweifels, aber wir wollen ihn als im Fleische sitzend dem Leibniz zu Gute halten, den Stachel als gegeben annehmen und als tatsächlich vorgreifenden Grund für das Gemälde eines zu besänftigen Gottes. Im Zweifel steckt der Samen für die Geburt des moderne Menschen.

Die Vernunft liegt “hinter der Welt”, im Kopf des einen Gottes, die Welt, insbesondere der irdene Ball liegt ihm eher zu Füßen. Wir schauen hoch, der irdene Ball bestimmt uns und unsere Existenz und unsere Endlichkeit dort, und wir sehen und riechen von Gott allemal nur die Füße. Die Füße und ihr Geruch bestimmen aber eigentlich nicht den Charakter eines Gottes. Es ist der Kopf und auf dem langen Weg dorthin, unterwegs das Herz. Dieser Gott hat das Übel nahe an seinem Kopf und alles ist ozeanisch mit diesem einen Gott geeint, auch das Übel an seinem Kopf. Ein Mensch ist nicht einmal ein Tropfen in diesem Ozean. Das Übel am Kopf weist auf eine Externalisierung, die gleichzeitig zurückgewiesen wird und als solche erkannt wird und im gleichen Zuge wieder ungültig gemacht wird: Ein augenscheinlich, schwieriges Paradoxon hinter dem sich aber etwas Einfaches und sehr geläufiges verbirgt: ein Sowohl-als-Auch. Dieses Sowohl-als-Auch ist in den Gemengelagen, die die Psychoanalyse von Freud oder auch C. G. Jung beschreibt, attestiert normal für den Menschen insbesondere ausgeführt im Traum, in der Phantasie, generell für seine unbewusste Bestimmung und in der narzisstischen Verdrängung, Spiegelung. Der Mensch Leibniz spiegelt sich in der Vorstellung seines Gottes, den er selber sich gleichwie narzisstisch vorstellt, das Übel externalisiert auf dem Kopfkissen neben dem Kopf des Gottes liegend – und doch zum Gotte direkt hinzu gehörig. Welch Disparation! Dieser Widerspruch wird von Leibniz nur vielfältig beschrieben aber nicht aufgelöst, stattdessen soll er auf alle möglichen phantastischen Wegen entschärft werden, um das ganze Gebäude des Gottes nicht ins Wanken zu bringen und das Weltbild mit dazu. Die Konflikthaftigkeit des Widerspruchs, entstehend durch das Problem selbst und durch eine logische Verarbeitung des Konflikts, die zu einer neuen Widerspruchsfreiheit streben müsste, wird durch frommes und gutes Zureden entschärft, um den Widerspruch zuzuschütten, ihn zu nivellieren und möglichst einzuplanieren. Sonst würde neben den Freuden das Leiden der Menschen und aller Kreatur zu sehr die Beurteilung der Lage bewerten müssen, da beides das einzig Konkrete und Wahre in Leibnizschen Welt- und Himmelsbild des einen Gottes bilden. Das soll aber unter allen Umständen in seinen fadenscheinigen Übertünchungen vermieden werden: über das Leiden, die Ungerechtigkeit, das Fressen und Gefressen und Gefressen werden sowie über die Endlichkeit jedes Lebewesens wird hinweggegangen bis allertiefst in die Neurose: Zitat seite 192