Sokrates, so erzählt Platon, erzählt eine Geschichte von Theuth, dem Vater der Buchstaben, und König Thamus

23. Dezember 2023
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Der König fragte, was für einen Nutzen denn jede dieser Künste bringe, und als jener es erklärte, tadelte er das eine und lobte das andere, je nachdem ihm diese Erklärung gut schien oder nicht. Zu jeder dieser Künste also habe Thamus dem Theuth manches dafür und manches dagegen eröffnet; doch würde es zu weit führen, das alles zu erzählen.

Als nun aber die Reihe an den Buchstaben war, sagte Theuth: “Diese Kenntnis, o König, wird die Ägypter weiser und ihr Gedächtnis besser machen; denn als ein Heilmittel für das Gedächtnis und für die Weisheit ist sie erfunden worden.”

Der König erwiderte: “Kunstvollster Theuth, der eine hat die Fähigkeit, das hervorzubringen, was zu einer Kunst gehört, der andere vermag zu beurteilen, welches Maß von Schaden oder Nutzen sie denen bringt, die sie anwenden wollen. Du, der Vater der Buchstaben, sagtest nun aus Voreingenommenheit gerade das Gegenteil von dem, was sie bewirken. Denn die Erfindung wird die Lernenden in ihrer Seele vergesslich machen, weil sie dann ihr Gedächtnis nicht mehr üben; denn im Vertrauen auf die Schrift suchen sie sich durch fremde Zeichen außerhalb, und nicht durch eigene Kraft in ihrem Innern zu erinnern.

Also nicht ein Heilmittel für das Gedächtnis, sondern eines für das Wiedererinnern hast du erfunden. Deinen Schülern verleihst du aber nur den Schein der Weisheit, nicht die Wahrheit selbst.

Sie bekommen nun vieles zu hören ohne eigentliche Belehrung und meinen nun, vielwissend geworden zu sein, während sie doch meistens unwissend sind und zudem schwierig zu behandeln, weil sie sich für weise halten, statt weise zu sein.”

Zitat aus Phaidros, (274 b – e 274e-275c).

Platon, Jubiläumsausgabe Sämtliche Werke zum 2400. Geburtstag, Band III, Seiten 258 – 259, Buchclub Ex Libris Zürich, 1974

 

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Internet, AI… Wir sind nur noch draußen.

Medien werten auf und gleichzeitig ab. Sie unterwerfen. Sie sperren uns aus. Wir verlieren den Zugang.

Medien sind Räume. Gehen wir in einen neuen Raum, fällt es uns schwer, diesen zu verlassen, in einen anderen Raum zu gehen, den wir als Déjà-vu erleben. Unsere Sensoren und Schallräume in unserem Inneren wollen das nicht. Wir schaffen nicht diese Räume. Wir wissen nicht, ob wir den Raum wirklich betreten haben, nehmen die Räume mit, wissen nicht wirklich, ob wir da waren oder nicht, oder, ob wir da herkommen oder nicht. Man bezeichnet den Kosmos als Raum. Wir sind sonstwo. Touristen. Wir fassen es nicht. Zur Entspannung bilden wir uns ein, fern zu sehen. Oder wir bilden uns das ein, weil wir gar nicht anders können.

Veränderung der Intelligenz. Abwesenheit. Ein Zugewinn an Instrumenten verwüstet den Geist, so Sokrates.

Medien. Medusa soll keine falschen Erwartung wecken.

Wiedererinnern ist etwas, was ich verloren habe. Was ist es wirklich für eine Technik? Was ist hinter dem Déjà-vu? Sokrates meint nicht die Vergesslichen.

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Alexandria, die Bibliothek.

Sehr viel Wissen ist verloren gegangen.

Einprägen ist nicht nötig. Die Prägung fehlt, tatsächlich. Das Tatsächliche fehlt, die Prägung von Hause aus. Man kriegt keinen Kontakt. Man spricht nicht mehr aus. Das Verinnerlichen fehlt. Sokrates hat das Gespräch gesucht. Kontakt.

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Spätestens. Nach der Achsenzeit wurde die Schriftkultur dominant. Die 10 Gebote des Alten Testaments. Wir erlebten die Schrift als das Wort Gottes. Das geschriebene Wort wurde uns gepredigt.

Villém Flusser sagt, wir sind bereits Nachgeschichte. Das Lineare der Schrift hört auf.

Das wird uns orientierungslos machen, Babel, bis wir wieder Sinne haben, die Sinn machen. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Voyager… Wir brauchen das, ganz elementar, sagt Elon Musk.

Nietzsche, die Wiedergeburt der Tragödie. Die Verrücktheit. Das Offene. Odysseus. Raumschiff Enterprise. Spok. Stanislav Lem.

Die Abfahrt. Das endgültige Entweichen.

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